Die Wüste bei Namibe


Namibe ist so gar nicht afrikanisch. Es sieht hier aus wie in einer kleinen brasilianischen Hafenstadt mit hübschen, bunten Kolonialbauten. Ein breiter, palmengesäumter Mittelstreifen trennt die vier Fahrspuren der Strandpromenade im Zentrum. Eine Eisenbahnlinie führt zum kleinen Containerhafen hinaus. Die Straßen, die wir bei unserer Durchfahrt benutzen, sind alle recht frisch asphaltiert. Hier ist viel Geld in die Infrastruktur geflossen, auch die privaten Häuser zeigen ganz klar, dass hier ein gewisser Wohlstand herrscht. Wir wundern uns auch über die übertriebene Anzahl an Straßenlaternen (die Solarpaneele fehlen allesamt noch) bis weit nach der Stadt, wo links und rechts in der kargen Gegend lediglich ein paar Büsche und Welwitschias zu sehen sind. Für wen ist die Beleuchtung wohl künftig gedacht? Nicht unbedingt alles ist logisch in Afrika…

Wieder mal ignorieren wir, jetzt schon routinierter, die ersten Abzweiger-Empfehlung unseres Navis und finden einige Kilometer weiter das erhoffte Zufahrt-Schild zur Flamingo Lodge & Camping. Schon die Anfahrt taugt uns, es geht gleich in einen sandigen, holprigen Trail entlang eines ausgetrockneten Flusses, die Felsformationen werden interessanter, und wir kommen der Küste näher. Über einer Sandkuppe blicken wir dann nach 20km Wüstenfahrt endlich aufs Meer, nehmen noch ein paar Sanddünen und steuern auf den Campsite zu. Die Wellen verraten uns schon, dass es heute sehr windig wird. Auf ein Bad im Meer werden wir eher verzichten, nur ein kurzer Strandspaziergang geht sich noch aus. Dort finden wir Unmengen an angespülten Plastikmüll als Beweis, dass hier stark frequentierte Schifffahrtsrouten vorbeiführen. Selbst 20 km landeinwärts machen wir hoch in der Luft noch schwarze „Plastikdrachen“ aus, die wie Krähen hoch über uns hinweg in die trockene Wüstenebene flattern.

Der Empfang in der Lodge ist nett, es gibt Internet und eine extrem hübsche und schmeichelnde Katze mit blitzblauen Augen. Auch das Dinner im Restaurant nehmen wir gerne, auch wenn es nur Buffet gibt. 

Später befragen wir den Manager, der auch Touren in der Region führt, wie die Streckenverhältnisse im Iona-Park seien und ob es mittlerweile wieder machbar sei, über die Südroute nach Ruacana zu fahren. Wir hatten Berichte gehört, dass auch hier der Regen Teilabschnitte unpassierbar gemacht hat. Leider hat der junge Mann keine positiven Meldungen für uns. Im Gegenteil, der Regen hätte erneut eingesetzt im Süden, und somit würden wir auch Probleme bei der Durchfahrt eines Flusses bekommen. Das wars dann wohl mit unserem Vorhaben, den Iona-Nationalpark zu durchqueren. Die Risiken für uns und Luna sind uns einfach zu hoch. Harald und Silke wollen ihren Tembo auch nicht in einem Fluss versenken und ändern ihre Pläne ebenfalls.

Am nächsten Morgen machen wir einen Ausflug in die nahegelegenen Flamingo Canyon. Nach 15 Minuten Fahrt durch feste Dünen stapfen wir in die beindruckende Schlucht. Jetzt wird uns klar, woher das Tal seinen Namen hat: nicht von den gleichnamigen Vögeln (wir haben jedenfalls keine gesehen), sondern von den rosafarbenen Schichten der senkrechten Felswände. Froh, der Empfehlung des Managers gefolgt zu sein, genießen wir die kurze Wanderung, die uns zahlreiche schöne Fotomotive bietet.

Am Weg vorbei an der Lodge fahren wir nochmal über den Sandstrand in Richtung Dünen zurück über das trockene Flusstal auf die schöne, neue Asphaltstraße bis zum Abzweig zur Lagoa dos Arcos. Wir fahren im Zick-Zack einen kleinen Canyon hinunter bis zu ein paar Hütten. Dort hält uns ein älterer Mann auf, stellt sich als Verantwortlicher für die Gegend vor und weist uns den Weg zum Parkplatz. Für den Spaziergang gibt er uns einen kleinen Jungen als „Guide“ mit, der sogleich in seinen ausgetretenen Flipflops vor uns her auf den sandigen Pfad zwischen den schattenspendenden Bäumen losläuft. Der Alte ruft uns noch auf portugiesisch zu: „Den Preis verhandeln wir bei der Rückkehr.“ 

Rund 10 Minute Fußmarsch später stehen wir bei den Zwillingsbögen, durch die sich der Ausblick auf die Lagune auftut. Die führt zwar kein Wasser, leuchtet aber in verschiedenen Farbschattierungen. 

Retour vom kleinen Marsch eilt der Alte sogleich herbei, das Feilschen um den Eitrittspreis mit den wenigen Touristen lässt er sich keinesfalls entgehen. Zunächst will er 6.000 Kwanza (ca. 6 Euro), was gemessen am lokalen Preisniveau natürlich vollkommen übertrieben ist. Nach drei Runden und mehreren Geschichten über die Verwendung des Geldes (Einkauf in Tombwa für das ganze Dorf, Transport etc. ) einigen wir uns auf die Hälfte (noch immer zu viel, aber wir verbuchen das unter Entwicklungshilfe), und wir stecken dem Buben noch 500 Kwanza zu. Der grinst das erste Mal und winkt zum Abschied.

Beim Rausfahren schaukelt uns ein bekanntes Gefährt entgegen. Tembo hat es auch geschafft, nach der obligaten „Brotzeit“ unserer bayerischen Freunde auf der Anhöhe. Schnell tauschen wir ein paar Infos aus (Parkplatz, bezahlte „Gebühr“) und vereinbaren, uns am Abend bei den Colinas zu treffen. Dort wollen wir einen Lagerplatz suchen. 

Gesagt, getan. Die Colinas sind herrliche Canyons mit prächtigen und klar erkennbaren Farbschichten. Über der dunkelroten Basis werden die Felsen nach oben hin hellgelb und ocker. Sie haben teils bizarre Formen, manche erinnern an gotische Kathedralen mit einem Kranz aus wundersamen Fabeltieren – wir entdecken Krokodile, Frösche und Adler (schon vor dem ersten Bier!)- , andernorts stehen solitär gigantische rote Säulen. 

Sehr wenige Menschen besuchen diesen abgelegenen Ort, so haben wir freie Wahl für unser Camp und werden an einer flachen Stelle in einem weiten Felsen-Amphitheater fündig. Unsere bayrischen Freunde gesellen sich dazu. Das Lagefeuer lodert warm, die Pinotage schmeckt und die Geschichten drehen sich – was sonst – um Afrika. Um uns beleuchtet der Halbmond sanft die roten Wände, darüber spannt sich der unendliche klare Sternenhimmel. Und das alles bei vollkommener Ruhe. Es ist magisch! 

Am Morgen heißt es Abschied nehmen, die beiden wollen raus nach Namibe, wir hingegen möchten noch versuchen, etwas weiter in den Park vorzudringen. Die ersten Kilometer sind noch leicht und sandig, es geht vorbei an schönen Palmenoasen, hinter denen hohe, goldene Dünen hervorstechen. 

Sollte ich irgendwann mal geglaubt haben, dass Welwitschien selten sind, dann belehrt mich diese Gegend eines Besseren. Hunderte, nein Tausende, verteilen sich hier über die weite sandig-steinige Ebene. Dazwischen stehen andere Sukkulenten und einzelne zwergenhafte Bäume von ca. 1,5 Metern Höhe mit breiten, flachen Kronen. 

Die Strecke wird nun aber enervierend: Wellblech, spitze Steine wechseln mit ausgewaschenen Passagen und Sand. Zu langsam zählen die Kilometer auf dem Navi herunter, und viel Neues entdecken wir nicht mehr. Eine Entscheidung muss getroffen werden, ob wir wirklich weiterfahren wollen. Wir halten an einem großen als Landmarkierung aufgetürmten Steinhaufen, gönnen uns zu Stärkung ein paar Kekse und wägen die Optionen ab. Wir entscheiden uns für die Umkehr. Es ist uns einfach zu mühsam in Anbetracht der Tatsache, dass wir ja den gleichen Mist zurückfahren müssen, weil die Durchfahrt durch den Park nach Süden aktuell unpassierbar ist. Zudem wäre es zu riskant, das Abenteuer ohne ein zweites Fahrzeug zu wagen. Im Falle einer Panne käme da bestimmt tagelang keiner vorbei, um uns zu helfen. Daher geben wir jetzt als Ziel Namibe ins Navi ein … 200 Kilometer blinkt am Display auf. Wir lachen kurz über die Prognose der voraussichtlichen Fahrtdauer (unser Navi ist wieder mal sehr optimistisch).

In Namibe gehen wir in einem netten Lokal mit Terrasse am Strand hervorragenden Fisch und Oktopus essen als willkommene Stärkung für den langen Anstieg vom Meeresniveau auf die Lebapasshöhe. Zunächst ist die Straße ja noch gut, dann beginnt jedoch wieder der Slalom mit den Kratern im Teer, die oft unvermittelt auftauchen. Martin versucht immer, eine Balance zwischen Slalom und Riesenslsalom-Fahrweise zu finden – je nach Tor-(hier Krater-)Abstand, um passable Geschwindigkeit zu bewahren und nicht immer wieder raufschalten zu müssen. Manchmal sind jedoch Vollbremsungen unumgänglich, der eine oder andere „Einfädler“ lässt sich auch nicht vermeiden, aber Lunas Fahrwerk ist extrem stabil und wir kommen wieder mal verletzungsfrei durch.

Es kommen uns zahlreiche Fernreise-Busse und LKW mit den dunklen Granitquadern entgegen. An deren Anblick haben wir uns ja schon gewöhnt. So schauen wir uns kurz verdutzt an, als wir tatsächlich auch einen vor uns sehen, der will hinauf auf den Pass! Und noch erstaunlicher: der geladene Quader ist zur Abwechslung mal aus weißem Marmor! Wir lernen: dunkle Steine Richtung Meer, helle Steine in die Berge. Verwendung nach wie vor unklar.

Die Bergwand rückt näher, der Pass ist von der Nachmittagssonne wunderbar angestrahlt, sodass die steilen Wände bunt aufleuchten, als wir die Serpentinen in Angriff nehmen. Rund 740 Höhenmeter (Von 960m auf 1700m) klettern wir von der ersten Kurve bis zum Toll Gate auf der Passhöhe hinauf. Luna brummt in der Dritten mit teilweisem Vollgas, Martin nimmt jede einzelne der Kehren mit Bedacht (Krater, Gegenverkehr, zerbeulte Leitplanken). Ich (nicht schwindelfrei) atme jedes Mal tief durch, wenn wieder eine hinter uns liegt. 

Um 17:40 – noch vor Sonnenuntergang und nach weiteren 335 Höhenmetern – erreichen wir unser angepeiltes Quartier (das Flor de Lis) und werden vom freundlichen Carlos hereingelassen. Hier stehen wir gut und behütet von zwei verspielten Hunden.  

Wir mussten auf dieser Etappe zwar unsere Pläne für den Iona-Nationalpark deutlich anpassen und verkürzen, aber die gewonnenen Eindrücke aus der Wüste im Namibe-Reserve mit ihren gewaltigen Canyons und Felsformationen, Dünen und Welwitschia-Feldern möchten wir keinesfalls missen. Wer weiß, vielleicht klappt es mit dem Iona Park ja in der Zukunft doch noch einmal. Dann kommen wir aber später im Jahr, wenn es garantiert trockener ist. 

Unsere Tipps für die Region südlich von Namibe (Mai 2025): 

  • Flamingo Lodge & Camping: Der Campsite liegt 20km von der Asphaltstraße entfernt etwas erhöht direkt am Strand neben der Lodge. Er verfügt über einen überdachten Windschutz und Strom. Die Toiletten- und Duschanlagen sind ein bisschen heruntergekommen und das Wasser auch nur bestenfalls lauwarm. Das Wasser ist etwas salzig, daher untauglich zur Befüllung des Wassertanks der Autos. Personal ist sehr nett und das Essen hat geschmeckt. Campkatze streicheln nicht vergessen!
  • Flamingo Canyon lohnt: ist nur 15 Minuten Fahrt und ein netter, einfacher Spaziergang.
  • Lagoa dos Arcos: Ein Hinweisschild weist von der Asphaltstraße den Weg. Der Preis für Eintritt und Guide wird verhandelt, wir haben 3000 Kwanza gelöhnt plus ein kleines Trinkgeld für den Jungen, der uns zu den Arcos gebracht hat.
  • Colinas: Die Canyons sind atemberaubend schön und ein perfekter Platz zum wild campen. 
  • Restaurant Lupia: direkt am Sandstrand von Namibe, hat eine nette Terrasse und guten Fisch (auch Octopus in besonderer Qualität!). 
  • Flor de Lis in Lubango: von Namibe kommend bietet es einen sicheren Stellplatz, heiße Dusche, gutes Internet, und der Frühstücksraum samt Küche darf benutzt werden. Carlos und sein Sohn sind beide reizend bemüht und sprechen ausreichend Englisch. 

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