Geparde, namibischer Wein und die Erongo Mountains

„Oh, you are early“ ruft mir der alte Farmer schon vom Haus aus zu, aus dem ich ihn mit der großen Glocke, die am Tor in Augenhöhe baumelt, herausläute. Ich grinse und meine nur: „yes, we were close.“ In Wahrheit kann ich es kaum erwarten, die wunderbaren Katzen zu sehen, die hier eine sichere Heimat gefunden haben. 

Aber ein bisschen gedulden muss ich mich noch, er schickt uns auf den Campsite und zu seiner Frau, die die Buchungen verwaltet. Die Cheetah-Tour ist erst am Nachmittag. 

Wir richten uns auf dem Campingplatz ein, sind noch allein dort. Ich nütze die Zeit, um ein paar Runden im kreisrunden Pool der nahegelegenen Lodge zu drehen und ein Mittagessen zu basteln (wer weiß, wie lang die Tour dauert und ob es dann nicht schon zu spät zum Kochen ist).

Pünktlich um 16 Uhr werden wir abgeholt. Ein Fuhre Lodgegäste aus dem Schwabenland ist schon an Bord der Pickup-Ladefläche und mustert uns stumm von oben. Martin dreht die Augen über, er „liebt“ diese „Schwäble-Grüpple, wenn sie dauernd tolles Zeugle schwätze“. Wir, die Camper (inzwischen hat sich noch ein Pärchen aus Polen zu uns gesellt), dürfen auf den Hänger klettern – in gesunder Distanz zu Martins „Lieblings-Nachbarn“! Wir witzeln, dass der Hänger wohl der fürs Vieh, die Jagdbeute oder eben Camper sein muss. Stehend holpern wir den Farmweg raus zum Haupthaus, das wir schon bei der Anfahrt gesehen haben. Am Tor sind mehrere riesige Warnschilder montiert. “Don’t enter! Dangerous animals! “ Doch es sind nicht die Hunde, vor denen gewarnt wird, sondern eine ausgewachsene Gepardin, die am Zaun entlangläuft. Sie muss den Motor gehört haben, ganz eindeutig ihr Signal für die Nachmittagsfütterung. 

Mario, der Sohn der Farm-Eigentümer lässt uns aber nicht gleich zu ihr, obwohl ich das so gerne täte. Er möchte uns auf die Begegnung mit der halbzahmen Großkatze mit ein paar Verhaltenshinweisen vorbereiten, vor allem auf die Wahrung des Respektabstandes von mindestens einem Meter. 

Die Liebe der Familie für diese wundervollen Katzen, von denen es weltweit in freier Wildbahn nur noch etwa 6.000 gibt, hat mit einer trächtigen gefangenen Gepardin begonnen, die dann auf der Farm ihre Jungen bekam. Ab da wurden nach und nach mehr Tiere aufgenommen, die auf anderen Farmen unerwünscht waren und mit Fallen eingefangen wurden, zum Teil waren auch verletzte Tiere dabei. Außerhalb des eingezäunten Geheges würden die Tiere mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Farmern erschossen, die (verständlicherweise) ihr Vieh schützen wollen und in jeder Katze einen Feind sehen. Da ist es völlig egal, dass es sich um eine vom Aussterben bedrohte Art handelt. Geparde haben dabei im Vergleich zu anderen Raubkatzen den Nachteil, dass sie tagaktiv sind und als Hetzjäger auffälliger sind als etwa Leoparden, die sich als nächtliche Schleichjäger für Menschen fast unsichtbar machen können.

Die Familie beschloss daher, Geparden einen sicheren Lebensraum auf der eigenen Farm zu geben, auch wenn sie dabei nicht in Freiheit leben können und von Zufütterung abhängig sind. Dafür erreichen Geparde in Gefangenschaft ein Alter von 18 bis 20 Jahren, während es in der Wildnis oft nur 6-8 Jahre sind. In der Spitze beherbergte die Farm 22 Geparde gleichzeitig. Die meisten starben eines natürlichen, altersbedingten Todes, sieben wurden allerdings von einem Leoparden getötet, der andere Raubtiere immer als Futter-Konkurrenten wahrnimmt. Aktuell ist der Bestand auf nur mehr zwei Gepardinnen geschrumpft, von denen wir eine heute auf Tuchfühlung treffen, d.h. ohne Zaun und bis auf 1 -2 Meter Abstand. Wenn die Katze will – und sie wollte – geht sie laut und in tiefer Tonlage schnurrend ganz nah an uns vorbei, so dass ihre Flanken unsere Beine leicht berühren. Wir dürfen in ihrer Nähe Fotos machen, sie aber (leider) nicht aktiv anfassen, das ist Mario zu gefährlich mit den Touristen. Schade, ich hätte sie so gerne gekrault wie schon bei anderen Gelegenheiten in Zambia oder Zimbabwe. 

Die Katze läuft hinters Haus auf eine Wiese. Jetzt ist Fotoshooting angesagt, und – wie wenn sie es trainiert hätte – legt sie sich malerisch in verschiedenen Posen vor uns hin. 

Mario bringt den heutigen Leckerbissen: eine riesige Portion Esel-Leber. Darauf hat sie gewartet und schnappt sofort zu. Genüsslich kaut sie an ihrer Mahlzeit, währen die vier Hunde artig am Rand des Rasens das Geschehen beobachten. Die Katze hat genug und steht auf, ein kleiner Happen bleibt übrig, aber nur kurz, denn die Hunde stürzen sich sofort drauf. Lustigerweise ist der kleinste, fast dackelartige, der Sieger und schleppt stolz und hurtig seine Beute davon – zur Sicherheit weit weg von der Gepardin, man weiß ja nie!

Wir folgen der Katze noch eine Weile durch den Garten, dann geht’s wieder retour zum Auto und rauf auf den Hänger. Mario fährt uns zu einem zweiten Gehege, das zu unserem Erstaunen direkt an unseren Campsite grenzt. Hier will er noch schnell die zweite Gepardin füttern. Auch diese nähert sich schon durch den Busch, als sie das Auto hört. Schnell ist klar, dass dieses Tier nicht zahm ist. Sie fletscht die Zähne und faucht eindringlich, als Mario das Gehege mit dem Fleischbrocken betritt. Wir dürfen diesmal nur Zaungäste sein, als er ihr den Happen zuwirft, den sie sich sofort schnappt und damit schnurstracks wieder im dichten Busch verschwindet, weg von den Menschen.

Danach fahren wir noch ein bisschen auf dem Farmgelände herum, das tatsächlich beindruckend groß und landschaftlich abwechslungsreich ist. Wir stellen uns vor, wie schön es doch für die Katzen wäre, völlig frei darauf herumzulaufen. Verstehen aber gleichzeitig auch, dass es schier unmöglich ist, das ganze Gelände so einzuzäunen, dass die Raubkatzen nicht auf die Nachbarfarmen gelangen können. Ein trauriges Dilemma. 

Unser nächstes Ziel sind die Erongo Mountains, wir schließen den Kreis und beenden diese Runde, wie wir sie angefangen haben: mit einem spektakulärem Gebirge. 
Wir machen einen kurzen Halt in Outjo zum Einkauf von Feuerholz und Kohle bei der Tankstelle. Als ich mein Spiegelbild in den großen Scheiben des Eingangs erblicke, muss ich unvermittelt loslachen. „Das schaut heute fast ein bisschen aus wie bei Wild Frank!“ Das ist der verrückte Spanier, der für seine Fernsehdokumentationen in den wildesten Gegenden der Welt die giftigsten Tiere mit der Hand fängt und dabei stets mit verkehrt rum aufgesetzter Baseballkappe, Shorts und weißen Sportsocken in roten Crocs rumläuft. Den hölzernen Wanderstecken in der Hand und die Tennistasche am Rücken nicht zu vergessen. Letztere habe ich natürlich nicht dabei und meine Salomon-Pantoffeln sind definitiv auch etwas buschtauglicher als seine leuchtenden Marken(zeichen)schlapfen, aber ich habe heute ganz einfach meine flauschigen Alpakasocken mit Norwegermuster noch anbehalten. Es war eben kalt in der Früh, also kann man diesen modischen Fauxpas schon mal verzeihen, oder? Martin kommentiert: „Gone bush wieder einmal.“

Wir wechseln uns beim Fahren ab und spulen so die 250 Kilometer auf den namibischen schnurgeraden Asphaltstraßen von Outjo über Otijiwarongo nach Omaruru herunter (ja, ein O-Ort nach dem anderen. In Namibia fährt man halt nicht von A nach B, sondern von O nach O). In O-maruru machen wir uns auf die Suche nach den Weingütern, deren Weine wir schon in verschiedenen Restaurants der Camps und Lodges getrunken hatten. Etwas außerhalb des Ortes finden wir die „Kristallkellerei“. Leider haben die Besitzer das Keltern von Weinen aufgrund der langen Dürre der letzten Jahre aufgegeben, dafür kreieren sie jetzt großartige namibische Gins, von denen wir zwei Flaschen erstehen, die uns auf den nächsten Reisen immer an diesen schönen Ort erinnern werden. Und weil es eh Zeit für eine Pause war und wir schon hungrig sind, bestellen wir ein paar g’schmackige Tapas (lokale Würste, Ciabatta und einige Käsesorten – fast wie die Brettljause im heimischen Buschenschank!) und ein, zwei Glaserl vom Sauvignon Blanc (aus dem Restbestand). 

Gestärkt von den lokalen Köstlichkeiten (und ich etwas beschwingt vom Wein) erreichen wir am späten Nachmittag auf schnurgerader Gravel-Piste Erongo Rocks. Terry, die Inhaberin, wartet an der Rezeption, die gleichzeitig als kleiner Kiosk fungiert, auf uns. Das Check-in geht schnell, und sie zeigt uns auf einer sehr übersichtlichen Karte an der Wand, wie wir unser Camp finden und erläutert auch die Wanderungen, die die Gäste ohne Guide machen können. 

Noch ein paar Tipps zu Einrichtung des Camps und abschließend für die Wanderung noch die obligate Warnung vor den Schlangen im hohen Gras, vornehmlich den hochgiftigen und etwas faulen Puffottern, die sich durch die Vibrationen der Schritte im Boden nicht immer vertreiben lassen. 

„Camp Granite“ liegt rund 4 Kilometer entfernt vom Farmhaus. Es ist fantastisch!!! Eingebettet zwischen riesige runde Granitblöcke hat es Didi, Terrys Mann, mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Die Wohnbereiche (!) sind auf verschiedenen, mit Flusssand aufgefüllten Ebenen angeordnet, verbunden durch betonierte Stufen: Zentral der Esstisch mit sechs Sesseln, beschattet von einem Sonnensegel, rechts davor die Feuerstelle zum Kochen und dahinter noch die große Küche, dann noch jeweils an den Flanken die beiden open-air-Bäder mit Toilette und Bucket-Shower am Flaschenzug. Das Highlight sind die beiden in einer von gigantischen Felsen überdachten Nische aufgestellten Betten mit bequemen Outdoor-Matratzen. So einen Campsite-Luxus haben wir auf wahrlich noch nie gehabt, noch dazu alles privat und meilenweit niemand sonst. Das „Badezimmer“ könnte sich selbst in einem Malediven-Luxusresort durchaus sehen lassen! Wir feiern diesen wohl schönsten Campground aller Zeiten mit einem Savanna Dry und schauen zu, wie die Sonne hinter dem Bergrücken verschwindet und Luna zublinzelt. Ein wahrlich hübsches Bild. 

Am nächsten Morgen stapfen wir mit viel Wasser und eine Jause im Rucksack los auf unseren Hike. Wir wollen rauf auf den Summit-Viewpoint und am Bergrücken entlang runter zum Farmhaus, und im Tal retour zum Camp. Laut der Kopie der Karte, die uns Terry mitgeben hat, sind es rund 11 Kilometer, die Routen nennen sich „Mountain View“ und „Top Score“ – klingt genau richtig für uns! 

Nach ein paar hundert Meter auf der Straße finden wir den ersten der roten Pfeile, mit denen unser Trail vorbildlich markiert ist. Das Gras rechts und links des schmalen Pfads steht hoch. Terries mahnende Worte über Schlangen noch im Ohr, denke ich kurz an Wild Frank und marschiere meine Wanderstöcke klappernd vor mir in den Sand stechend beherzt hindurch. Manchmal schicke ich Martin vor, schließlich ist er ja schwerer und löst mehr Vibrationen im Boden aus (logisch, oder?). Unbehelligt von Puffottern oder Mambas erreichen wir felsigen Untergrund und starten den bisweilen steil über und entlang der Granitfelsen führenden Aufstieg. Dank der zahlreichen und gut platzierten roten Pfeile finden wir den Weg problemlos. Einige Male helfen uns Leitern oder Ketten über kurze Kletterpassagen, ansonsten fühlt sich der Fels sehr griffig an. 

Wir bleiben öfter mal stehen, denn das Panorama, das sich uns bietet, ist herrlich. Je höher wir kommen, desto mehr erschließt sich uns die Größe des Erongo-Massivs. Ganz oben vermeinen wir, südwestlich von uns in großer Entfernung auch die Spitzkoppe wiederzuerkennen. 

Am Summit nach 370 Höhenmeter Aufstieg belohnen wir uns mit einem Müsliriegel und hinterlassen eine kleine Botschaft im von Terry mit selbst gemalten Tierbildern verzierte Gipfelbuch. Vor zwei Tagen waren Deutsche hier, zwei Tage davor Schweizer. 

Weiter geht’s auf der Höhenwanderung. Wir erspähen unterschiedliche Blüten, die Gräser sind mittlerweile gelb und haben ihre Samen ausgebildet, mal sind es sehr feine seidenweiche Samenbündel, mal haben sie die Form von kleinen Ähren und mal sind sie pelzig eingehüllt. Aufgeschreckt von unseren Schritten flattern braune Heuschrecken leise knatternd zur Seite und zeigen dabei die leuchtend pinkfarbene Innenseite der Flügel.  Auch die riesigen schwarzen Gepanzerten Laubheuschrecken, die wir schon in Etosha und auf der Fahrt hierher zu Tausenden auf der Straße vorfanden, kriechen immer wieder mal über den Weg. Selbst am Gipfelfelsen krabbelt uns eine langbeinig mit wippenden Fühlern entgegen. 

Auf geschätzt halbem Weg rasten wir im Schatten eines Baumes, wie zu Hause schmeckt die Speckbrotzeit am besten in bergigen Höhen. 

Der Abstieg zum Farmhaus ist dann doch länger und auch steiler als gedacht. An einer Passage wurde sogar ein Kletterseil montiert. Das finde ich sehr praktisch, um sich rückwärts hinuntergleiten zu lassen. Gleichzeitig bin ich froh, dass trotz anspruchsvoller Abschnitte keine schwindelerregenden Abgründe zu überwinden waren. 

Unten angekommen bleiben wir ein bisschen beim Kiosk und plaudern mit Terry, die uns für den Weg zurück zum Camp noch den Abstecher zum Hide nahe dem trocknen Flusstal empfiehlt. Auch dieser ist äußerst liebevoll gebaut für die Beobachtung von Tieren am Wasserloch, nur dass diese zur Mittagshitze, in der wir gerade vorbeischauen, auch lieber irgendwo unter den Büschen Siesta machen. Auch uns ist inzwischen ziemlich heiß geworden, und wir sind daher froh, nach einigen Kilometern auf dem „Steenbok“ und „Paradise“ Pfaden durch seidig weiche Grasfelder und zwischen den Felsblöcken hindurch direkt bei unserem Camp Granite zu landen, nach insgesamt rund vier Stunden. Den eiskalten „Tafel Radler“ haben wir noch nie so schnell getrunken! 

Fein, dass der Wasserkanister, den Martin in der Früh befüllt und in der Sonne platziert hatte, schon ausreichend und energieschonend warmes Wasser für die wohlverdiente und genüssliche Bucket-Shower produziert hat. Frisch geduscht und zufrieden mit dem sportlichen Tag, sinken wir in die Campsessel und schauen hinauf auf die wunderbare Kulisse der Erongo Mountains. Ganz oben sehen wir den Gipfel, den wir heute bezwungen hatten. 

Ein klein wenig Wehmut beschleicht uns beim Schlafengehen, es unsere letzte Nacht in Luna auf dieser Reise. Anderseits freuen wir uns schon auf zu Hause und die neuen Projekte, die auf uns warten. Ja, und die nächste Tour ist eh auch schon in Planung und nur 2 ½ Monate entfernt… 


Unsere Tipps für das Gebiet südlich von Etosha (Mai 2025):

  • Otjitotongwe Cheetah Park: liegt in der Nähe von Kamanjab, hat einen Campsite und auch Lodge mit Pool. Die Cheetah Tour findet täglich um 16:00 statt. 
  • Buschenschank Kristallkellerei: liegt ca. 4km außerhalb von Omaruru. Zwar wird dort kein Wein mehr produziert, aber im kleinen Restaurant kann man gute lokale und italienische Tapas schmausen bei einem Gläschen Wein. Zur Verkostung stehen verschiedene namibische Gins und Liköre zur Auswahl.  
  • Erongo Rocks Farmhouse and Campsites: Definitiv einer der schönsten Camping Möglichkeiten in Nambia, inmitten einer herrlichen Granitfelsenlandschaft, ca. 45 Minute Fahrt auf guter Gravel Piste von Omaruru. Die Eigentümer haben sich da wirklich viel beim Design gedacht und es mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Die Wanderrouten sind alle perfekt mit verschieden farbigen Pfeilen ausgeschildert, man kann sich eigentlich gar nicht verirren. Vom Mountain View hat man die beste Gelegenheit, das Panorama in den Erongo Mountains zu genießen. 

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