Was für ein Anblick, plötzlich stehen sie da. Mächtige Inselberge, markant angeführt von der für das Massiv namensgebenden Spitzkoppe. Rund 800 Meter ragen zahlreiche Granitriesen aus dem Hochplateau, die Große Spitzkoppe sogar bis auf eine Höhe von 1728 Metern. Sie wird wegen Ihrer Form auch das „Matterhorn Namibias“ genannt.
Entstanden sind diese gewaltigen Berge durch Intrusion – vor etwa 200 Millionen Jahren drang Magma in die Gesteinsschichten ein, Wind und Wetter haben dann die weniger widerstandsfähigen Materialien über Jahrmillionen abgetragen und den Granitkern freigelegt. In den Inselbergen herrschen besondere Wasserverhältnisse, denn es regnet hier mehr ab als im Flachland. Das Wasser sammelt sich unterirdisch und dient als Reservoir für eine diverse Pflanzenwelt, die sich zwischen den Granitfelsen und vor allem in den vom Wind geschützten Felsnischen behauptet.
Wir checken im Spitzkoppe Restcamp ein, es dauert ein bisschen, denn die junge Frau am Tresen erklärt jedem Neuankömmling vor uns ausführlich die Gegebenheiten in der Camp Area und die möglichen Wanderungen mit Guide. Der Vorteil ist, wir brauchen die Erklärungen dann nicht mehr separat und sind schnell entschlossen, welchen Hike wir machen wollen. Den Campsite können wir selbst auswählen, hier gilt das Prinzip first-come-first-served. Mit Hilfe der ausgehändigten Karte schauen wir uns am Weg ein paar der über das weitläufige Gebiet verteilten Sites an und bleiben dann bei Nummer 12 stehen, der liegt ruhig, etwas versteckt zwischen den herrlichen Felsen und ist mit Tisch, Feuerstelle und einer Longdrop-Toilette (eleganter als „Plumpsklo“) ausgestattet. Wasser hat hier keiner der Sites, aber davon haben wir ja genug in Lunas Bauch gepumpt.
Schnell sind die Sessel ausgepackt, die Savannah Lights aus dem Kühlschrank geholt, und wir genießen den Blick direkt auf die große Spitzkoppe und einen Berg mit dem treffenden Namen Sugar Loaf direkt gegenüber.
Am Nachmittag brechen wir querfeldein (auf der Straße ist es zu öd und lang) auf zum Small Bushman Paradise, eine überhängende Felswand mit einigen relativ gut erhaltenen Felsmalereien. Wir treffen dort auf John, einen der lokalen Guides, der uns stolz die ca. 2000-4000 Jahre alten Motive erklärt. Da finden sich Rhinos, welche die Richtung und Distanz zur nächsten Wasserquelle anzeigen, Gazellen, ein Löwe, Giraffen, Buschleute auf der Jagd mit Pfeil und Bogen und (kein Witz) ein kleiner Oktopus. Vor vielen tausend Jahren war laut John nämlich die Küste aufgrund des höheren Meeresspiegels viel näher und die Menschen kannten daher auch Meerestiere.
Nach diesem netten Auftaktspaziergang fahren wir zum echten „Bushman Paradise“. Auf dem Wegweiser steht simpel nur „Chain“, was in etwa andeutet, was jetzt kommt. Von halber Höhe in der Wand winkt uns ein Guide zu und fordert uns auf, gleich zu ihm hochzusteigen (er war gerade erst mit zwei anderen Gästen losmarschiert). Wir hanteln uns entlang einer Kette ca. 100 Höhenmeter den glatten Felsen hinauf. Ich bin richtig froh, meine Arbeitshandschuhe dabeizuhaben, damit greift es sich besser und man rutscht nicht ab. Gewaltige rote Felskugeln schweben über uns am Grat, dahinter der blitzblaue Himmel. Oben angekommen entkommt uns ein begeistertes „Wow – ist das schön hier“. Der Ausblick über die weite Ebene hinter uns, sowie die rotglühenden Felsen und das grüne Hochtal auf der anderen Seite sind überwältigend schön. Wir sind richtig glücklich und dankbar, hier zu sein.
Guide Randal, stellt sich kurz vor, sammelt seine vier Gäste und weist uns den Weg zu den Felsmalereien. Es sind sogar noch mehr als bei der anderen Stelle, diesmal finden wir auch Schakale und Hyänen in Rot und Ocker. Die Buschleute benutzten Blut vermischt mit verschiedenfarbigem Sand für ihre Malereien, die als eine Botschaft für andere Familien angefertigt wurden. Unsere Fragen und Bemerkungen werden fortan von Randal mit einem fröhlichem „Yes Ma‘am“ oder „ Yes Sir“ bestätigt. Das hören wir danach sicher noch 50-mal während des Ausflugs. Yes Ma’am!
Randal hat ein paar launige Geschichten auf Lager und bemüht sich, uns sogar einige Klicklaute der San beizubringen, wir scheitern (wie bei allen Versuchen zuvor) kläglich, aber es ist lustig. Ein wenig stapfen wir noch allein oben am Grat herum, bevor wir uns auf den Rückweg machen.
Nachdem ich ankündige, jetzt sehr langsam zu gehen, um meine Knie zu schonen, gibt Randal für den Abstieg einen wertvollen Tipp: rückwärts im Moonwalk wie Michael Jackson. Yes Ma’am! Genial! Ich greife mit meinen Handschuhen nach der Kette und dann geht’s fast wie beim Abseilen super flott dahin. Wir verabreden uns mit Randal gleich für den nächsten Morgen, da er üblicherweise die von uns gewählte Wanderung führt.
Glücklich über diesen ersten Tag im mächtigen Gebirge setzen wir uns auf eine Kuppe bei uns im Camp und bewundern die im Abendlicht glühenden Felsen.
Pünktlich um 7:30 am nächsten Morgen sind wir bei der Rezeption, Randal präsentiert mir stolz seine neuen Hiking-Sneakers der Marke Pitbull. Guter Grip und unkaputtbar. Yes Ma’am! Er ist also bestens gerüstet, die heutige Strecke mit uns zu attackieren. Drei weitere Wanderer (zwei Mädels aus Holland und ein Tscheche – laut Eigendefinition „small and fat“) sind mit von der Partie.
Wir fahren zum Gate des Reservats auf der anderen Seite der Berge, und da sind sie wieder: die Barbabapas! Diesmal die ganze Familie in Gestalt von sanft gerundeten Felsformationen. Dahinter erwartet uns ein schöner Drive zum Startpunkt der Wanderung. Zwischen dem Grün der Gräser leuchten unzählige Blüten in Violett, Gelb und Rot, ein wahrlich seltener Anblick im sonst strohtrockenen Namibia. Die bunte Ebene steht in herrlichen Kontrast zu den von der Morgensonne angestrahlten roten Felsen.
Sagte ich Wanderung? Schon schnell wird klar, es wird ein steiler Anstieg zu einem der Pontok-Gipfel. Beflügelt von den „Pitbulls“ läuft Randal rasch den ersten glatten Hang hinauf, die jungen Holländerinnen halten mit. Aber unser Guide hat viel Erfahrung (er geht die Strecke fast täglich), und so legt er genügend Fotostops für uns ein mit immer wieder durchaus spannenden Erklärungen – besondere Bäume ( z.B. den Butterbaum) Kakteen am Weg, Blumen, Schlangenskelette (Yes, Ma’am!). Immer wieder drehen wir uns um, der Inselberg hinter uns ist einfach zu schön, die Autos am Parkplatz werden kleiner und kleiner.
Von oben sehen wir das Brandberg-Massiv linkerhand und rechts das Erongo Mountain Massiv – die letzte Station auf dieser Reise.
Der Aufstieg über die durchaus griffigen Felsen mündet schließlich in einer lustigen Kraxelei. Zweimal zwängen wir uns durch Spalten unter den massiven Blöcken – Martin freut sich über seine 183cm Körpergröße, gepaart mit „extremer“ Beweglichkeit, kommt aber gut durch. Auch Honsa, der Tscheche, schafft es, bei ihm war die Größe aber eher nicht der erschwerende Faktor.
Wir erreichen kurz unter dem Gipfel einen Aussichtspunkt auf beide Seiten des Berges. Ab da ist für mich Ende, da ich nicht schwindelfrei bin – zu steil und ausgesetzt (alles ungesichert!) erscheint mir dieser letzte Abschnitt. Die restliche Gruppe macht den Gipfelsturm, bestätigt jedoch, dass ihnen vor allem der Rückweg einiges an Mut abverlangt hat. Erleichtert, dass alle heil wieder da sind, machen wir uns an den Abstieg über, durch und unter Felsen – begleitet von Randals beflissener Anleitung der besten Haltegriffe im Fels. Fast unten bei den Autos verspricht er uns noch Edelsteine (yes Ma’am!), und schon gehen die Holländerinnen in Trab über. Die kleine lokale Quarz-Mine entpuppt sich als ein enges, senkrecht in den Boden gehauenes Loch von nur 50cm Durchmesser, in das sich die Bergleute hinablassen. An dessen Rändern dürfen wir ein paar schimmernde Quarze aufsammeln als Souvenir unserer Tour. Angelangt bei den Autos gönnen wir uns gemeinsam ein Bier (danke, Honsa! Tschechen wissen, was es braucht!) und wir steuern ein paar Kekse bei. Dann machen wir uns noch auf zum berühmten „Arch“. Der Fels-Bogen ist tatsächlich ein fotogenes Highlight und dient als perfekte Kulisse für ein nettes Erinnerungsfoto an unsere kleine Wandergruppe, von der wir uns hier verabschieden.
Den Nachmittag entspannen wir im Camp, und testen erstmals Lunas Dusche. Die funktioniert tadellos mit dem von der Fahrt wunderbar aufgeheizten Wasser.
Zum Sonnenuntergang begeben wir uns wieder auf unseren Campfelsen und lockern unsere beanspruchten Muskeln mit einer Yogaeinheit, vor der Kulisse von Spitzkoppe und Sugar Loaf. Müde aber glücklich feiern wir bei südafrikanischen Sauvignon Blanc zum Pilzrisotto am Lagerfeuer diesen herrlichen Tag – „YES MA‘AM“!
Unsere Tipps für die Spitzkoppe:
- Zwei Tage sind für einen Besuch genau richtig, um die unglaubliche Szenerie (auch bekannt aus dem Film „10.000 B.C.“) richtig aufzusaugen. Säbelzahntiger wie im Film gibt es nicht mehr!
- Zwei Hikes werden angeboten, der längere (5 Stunden auf die Spitzkoppe) hat Kletter-Passagen, der kürzer (4 Stunden / „Pontok“) ist auch nicht ganz anspruchslos, es gibt ausgesetzte und enge Passagen, die Trittsicherheit, gute Schuhe und vor allem auch Schwindelfreiheit erfordern. Dafür wird man mit großartigen Ausblicken belohnt.
- Die „Chain“ (100 Höhenmeter mit einer Kette gesichert) lohnt genauso wie ein kurzer Ausflug zum „Arch“ bei Campsite 5.
- Wifi gibt es in der Bar bei der Rezeption. Bei einer Bergtour auch das Handy (+ Router, wenn notwendig) mitnehmen, denn auf den Gipfeln gibt es Empfang! Mit Glück gibt es Handyempfang auch auf die Campsites.
- Für die Campsites gilt „first come – first served“. Einige liegen nahe an der Straße, 12-14 sind einsam in Felsnischen. Wir haben uns auf 12 sehr wohl gefühlt.
- Wer selbst keine Dusche und Waschgelegenheit am Auto hat, kann die beim Restaurant benutzen.
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